Holländischer Pfannkuchenarsch

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“…der hat ein bisschen zugelegt, hast du gesehen?” fragt mein nun selbst auch tanzender und damit kompetent beurteilender Ballettbegleiter und meint dabei den Tänzer, der dann zum Ende des Stücks I knew then von Johan Inger im Lichtkegel der Scheinwerfer den – wie soll man sagen – Geschlechtsakt des passiv im Hintergrund in einem Wald von Metallstäben stehenden, sich langsam bis auf die Unterwäsche entkleidenden Liebespaares tanzte, dabei glucksende, wie ein Gorilla grölende, wimmernde, ächzende Laute in Gibberish (Kauderwelschsprache) von sich gab und sich letztendlich ebenfalls bis auf die Unterhose entblößen durfte (der Arme). Ein großes Vergnügen für uns Zuschauer, dieses wo anders treffend als “sich in orgiastische Freude wandelnde Prüderie” beschriebene Tanzstück, aber ich habe bei dem Tänzer nur seinen neuen Tom Selleck Schnurrbart bemerkt, nicht den leichten Bauchansatz und schon gar nicht sein für Männer dieser Volksgruppe offenbar charakteristisches Hinterteil.
Ob mir das noch nicht aufgefallen sei, dass Holländer breitere Hüften als andere Männer haben.
– Nein, auch nicht dass ihre Wohnwägen breiter sind, werde aber zukünftig gezielt darauf achten, wenn ich wieder eine Videokonferenz mit meinem Amsterdamer Kollegen habe und ihn bitte mal kurz aufzustehen und sich umzudrehen.

Lyrisch fragmentierte Zeilen

plapperlaplapp, TEXT

“Die Kämpferin ist die Frau am Computer” erklärt der SWR-Musikredakteur die moderne Interpretation der Monteverdi Oper TRE VOLTI – Drei Blicke auf Liebe und Krieg.

Die gesamte Aufführung – hochmodern! Ein Frauenchor mit Schlagzeug, Saxophon und Elektrogitarrenbegleitung besingt in lyrisch fragmentierten Zeilen eine “emanzipatorisch umgedrehte” Geschichte um einen Handy Verkäufer in Jerusalem und eine Drohnenkriegerin.

Das ist nicht die erste moderne Oper die ich sehe.  Aber bisher immer auf Einladung von kulturell bewanderteren Freunden, die entweder selber geigten oder bei ARTE Eintrittskarten gewannen.
Das erste Missverständnis schon geklärt, es geht nicht um Verdi sondern um Monteverdi, Claudio – 250 Jahre älter.

Beim ersten Mal war es eben auch etwas mit italienischen Übertiteln. Die Sängerin erinnerte derartig verzottelt an Janis Joplin und sang sitzend aus einem Einkaufswagen. Der Sänger lief mit einem Röhrenfernsehgerät auf dem Kopf über die Bühne. Beide beklagten ihr Liebesleid und man hörte immer wieder Bahnhofsdurchsagen.

PORNO RONDO: nackig aussehend angezogene Tänzer(innen) machen anzüglich ekstatische Bewegungen und enden auf einer Waschmaschine

Die Einführungsrede des Musikjournalisten (der uns unser Underdressed?-Gefühl zur Vorstellung im Schwetzinger Schloss dank seines zotteligen Erscheinens besänftigte)  versprach mir eine der Bahnhofskneipenoper ähnliche Aufführung. Und es kam sogar besser:

 

Beim Waschen ist eine Socke verloren gegangen. Und da bricht der Ehekrieg aus – Eine große schrecklich schöne Entfremdung.

Geschichte ist wenn dir dein eigener Name zerfällt.

Himmel und Erde schweigen. Das Meer senkt sich in seine Gründe.

Jeden Tropfen Blut muss man mit einem Tränenmeer bezahlen.

Glorinda bittet Tancredi sterbend um die Taufe.

Aisha, écoute moi

die lieben nachbarn, TEXT

Multikulti! Gestern kochten wir thailändisches Massaman Curry vegane Art, indischen Biranyi Reis als spontanes Abendessen zu Orangina und belgischem Bier für eine Somalierin, eine flämische Palästinenserin, die in Jordanien aufgewachsen ist, eine Argentinierin mit belgischem Pass und eine die südostasiatische Küche favorisierende Schwäbin mit Wahlheimat Mannheim. Unter diesen Umständen fühlt man sich auch in einer flämischen Stadt mit katholischer Universität wohl.

Eigentlich hätten wir Maultaschen machen sollen. Was Schwaben am heiligen Fischfreitag essen. Und Muslime bestimmt am Ramadan wenn die Sonne im Zenith steht. Aisha ist nämlich ein kleines Ramadan-Bscheißerle.

Es ist mein erster Austausch mit gläubigen, in bunte Kopftücher gehüllten muslimischen Frauen.

Bis dahin kannte ich nur Muslime, die Religion so kulturell bedingt und philosophisch sehen wie ich, darunter Mustafa – mein İstanbuler Freund und Aufklärer über die moderne Türkei (vor Erdoğan…) , eine homosexuelle Alevitin (im Alevitentum sind Frauen gleichberechtigt und in den alevitischen Glaubensgrundsätzen mit den gleichen Rechten ausgestattet wie Männer) und Hanife, unsere Mannheimer Lieblingsbedienung und Kaffeesatzexpertin.

Frauen mit bunten Kopftüchern in Brüssel

Aisha lernte mich vergangene Woche halbnackt mit einem Handtuch umwickelt an der Wohnungstür meiner Freundin kennen. Auch wenn ich mir die Situation andersherum nicht vorstellen kann, war ihr das mit der Tür in die Dusche fallen und mit einer Fremden unbekleideten Westlerin zu quatschen ziemlich egal. Im Gegensatz zu mir war Aisha auch anständig angezogen –  mit einem ein Hawaiihemd anmutendem somalischen Gewand und beigefarbenem Kopftuch.  Sie macht das freiwillig, zeigt ihr süßes Gesicht und erklärt mir das Kopftuch als persönliche Entscheidung und kulturelle Gepflogenheit. Selma wendet ein, sie fühle sich damit  in der fremden Öffentlichkeit auch weniger nackt und überlässt uns ihr Kopftuch zum Anprobieren. Erkenntnis: mein deutsches Gesicht passt besser unter eine Wollmütze und meine argentinische Freundin würde, das Tuch anders gebunden, als Piratin durchgehen.

La crisis de identidad

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Eine Fremdsprache lernen mit Vokabeln, die einem vielleicht ermöglichen, die Sehenswürdigkeiten des Gastlands zu beschreiben, ist Schnee von gestern. Meine Kollegin hat mir da just ein viel besseres Konzept zukommen lassen: Spanisch für Mollis und Müslis. Da bekommt man mal Lust, im Ausland über deutsches Kulturgut wie El ‘punk’ de Nina Hagen, ‘prima donna’ iluminada oder alternative Gelüste – Placeres alternativos auf spanisch zu beeindrucken.

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[ Quelle: Spanisch für Mollis und Müslis – Bernd S. Kamps, Rafael Recio, Patricia Bourcillier ]