‘Mülltonnen dieser Welt’ – Indien

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muelltonnenTrivandrumAirport-1Seit langem sehe ich mal wieder einen Mülleimer! Am Flughafen zu Thiruvananthapuram (Trivandrum). Das sieht total nach ordnungsgemäßer Mülltrennung aus! Aber ich glaube es nicht.
Während wir uns in Deutschland vom grünen Punkt und seinen Recyclingprophezeihungen verarscht vorkommen, weil in den meisten Fällen der sauber getrennte Müll auf einen großen Müllberg gekippt und schließlich in gefilterten Müllverbrennungsanlagen verwertet wird, spielt Indien offenbar in einer anderen Liga. Trivandrum mag eine Müllverbrennungsanlage haben, aber die reicht bei weitem nicht aus. Auf dem Weg zum Flughafen fahren wir an einem Cricketspielfeld vorbei, von Plastikmüll gesäumt, durch Siedlungen, an denen alle paar Meter ein Häufchen liegt und ich überlege, ob ich meine Coladose nun einfach beim nächsten Häufchen das kommt aus dem Autofenster hinauswerfe. Vineeth erleichtert mir die Schandtat, nimmt meine Dose und schmeißt sie einfach irgendwo raus.

muellhalde_kovalam-1000521Mein Hals kratzt und ich bin nicht die einzige hier mit Schleimbildung, dessen sich Inder ungeniert durch röcheln, rotzen und spucken auf den Weg befreien. Man stellt besser nirgends seinen Rucksack auf den Boden außer zwischen die eigenen Beine, wenn man die Sauerei vermeiden will. Die Ursache der allgemeinen Atembeschwerden ist eindeutig dem Rauch zuzuordnen, der täglich beim Verbrennen irgendeines Abfallhaufens emporsteigt, und man will sich besser keine Gedanken über die toxische Wirkung der Dämpfe verbrannten Plastikallerleis machen.

S.I.S.P. Sebastian Indian Social Projects

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Es ist Mittagszeit im Strandörtchen Kovalam, 15 km südwestlich von Trivandrum in der südindischen Provinz Kerala, als mich der 26 jährige Vinni mit dem Motorroller zur Besichtigung der SISP Einrichtung im Dorf abholt.
S.I.S.P. steht für Sebastian Indian Social Project und ist eine Non-Governmental Organization mit dem Ziel, Kindern aus ärmsten Verhältnissen eine grundlegende Schulausbildung und Erwachsenen, u.a. Witwen, die in Indien wertlos angesehen werden und sich oft umbringen, den Schritt in die Selbständigkeit über Mikrokredite zu erleichern oder Arbeit in den Werkstätten zu geben, in der Altpapier und Kokosnussschalen zu Tüten und Kunsthandwerk sowie Baumwolle zu Hygienetüchern verarbeitet werden. Mit etwa 6000 Rupees Monatslohn (ca. 75€) können sie so einigermaßen ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Sportschau Kovalam Beach

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Mit bepflastertem rechten Ringfinger sitze ich zum Sonnenuntergang in der German Bakery, gönne mir seit Mumbai vor zwei Wochen mal wieder einen Cappuccino und schaue mir die Surfkünste anderer aus sicherer Entfernung an.breakfast_abhiscafe-0358
Sha, mein Surflehrer gestern, prophezeite mir, dass ich bald auch so ein schnittiges kleines Board surfen kann, nachdem er mich im white water auf den ersten Versuch aufstehen und surfen hat sehen. Als ich mir heute, ohne Surflehrer, den Finger beim Zurückhalten des Boards an der Leash bei einer über mich einbrechenden Welle aufschnitt, von dem surfboarddicken blauen fleck am Oberschenkel ganz zu schweigen, und mehr gegen die Wellen kämpfte als dass es mir gelang, sie ein paar Sekunden zu surfen, glaube ich da nicht mehr so schnell daran. Die drei Jungs aus Belgien, meine Nachbarn im frisch renovierten Zimmer über Abhis Café und unter dem auf der Dachterasse untergebrachtem Kovalam Surfclub, sprachen mir Mut zu, alles Übungssache, aber für heute ist erst mal Wundheilungspause. Für das indische Mittagessen, das traditionellerweise mit der rechten Hand gegessen wird, ließ ich mir diesmal einen Löffel geben, da Curry in der Wunde vielleicht nicht so angenehm ist;-) Immerhin habe ich das mit der Embryostellung in der Wellenwaschmaschine nach schmerzhafteren Blessuren meiner bisher vierwöchigen Surferfahrung langsam raus und dabei heute lediglich meine Oropax verloren.

Handy Aufladestationen und Zitronengras zum Kloputzen

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tea_munnar-0241  Indien ist ein sehr reiches Land, erzählt uns Ragu, unser Wanderführer auf den 2300m hohen Marlbrei bei Munnar. Aber sehr korrupt, und das Geld verschwindet auf schweizer Nummernkonten oder wird für Übernachtungen in so preiswerten Unterkünften wie dem Vivanta by Taj Resort in Madikeris Kaffeeplantagen investiert, wo eine Übernachtung so viel kostet wie das monatliche Einkommen eines unausgebildeten Arbeiters (18 000 Rupees – 250 Euro). Eine Teepflückerin verdient 200 Rupees am Tag, bei einer 6-Tage-Woche. Kein ehrlich verdientes Geld lassen hier die Inder, die sich so ein Hotel leisten können, so Chennappa aus Madikeri, der ungefähr genausoviel jährlich Schulgeld für seine Tochter bezahlt.
Druva aus dem Surfer Ashram fügte dessen noch hinzu, dass die Inder einfach nicht wissen, wie sie ihren Reichtum einsetzen, im Gegensatz zu den Chinesen.

Noch mit 80 in der Lederjacke

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Und am siebten Tage sollst du ruhen. Mit einer Erkältung, die ich mir sicherlich im klimatisierten Zugabteil, Ernakulams Shopping Mall und der Zugluft während der fast sechsstündigen Fahrt im fensterlosen KSRTC Lokalbus in die 1700 Meter hoch gelegenen Teeanbaugebiete um Munnar zugezogen haben muss, fühlt sich das Ausruhen in einem Korbsessel im Rose Garden Homestay am letzten Tag meiner einwöchigen Tour in die Bergregionen Karnatakas und Keralas wundervoll an.

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Als mich der gnädige Tuktukfahrer nach halbstündiger Holpertour in meiner ersten, luxuriöser anmutenden Unterkunft absetzt, liegen Kopfkissen zum Auslüften in der Hofeinfahrt des paradiesischen Pflanzenzuchtbetriebs, und Tomy, der Besitzer, ist gerade noch dabei, mit seiner Frau Raji mein Bett zu machen. Das Zimmer hat ein Bad mit richtiger Duschwand, Wasserkocher, ein paar Teebeutel eher geschmacklosen indischen Schwarztees, Instantkaffee und Milchpulvertütchen. Raji bringt mir Bananen aus dem Garten und etwas Gebäck. heiratsanzeigen-1Mehr braucht es auch nicht für einen  erholsamen Nachmittag im Korbsessel vor dem Haus und eines Spaziergangs durch den Garten der 500 Pflanzen. Als Lektüre bieten sich mir Heiratsanzeigen – Matrimonial Classifieds – nach Religion sortiert (Christian Wanted Bride, Hindu Wanted Groom, Muslim Wanted Bride) und ein schwedisches Frauenmagazin an, das mit aktuellen Weihnachtsdekotipps, Krampfadertherapien, Königin Sylvias 70.Geburtstag und einem Interview mit Marie Fredriksson tituliert, zu ihrem neuen Album ‘Nu’ (Jetzt) und ihrer Lebenseinstellung nach der Gehirntumorerkrankung:

Stress gibt es keinen mehr in meinem Leben, das Leben ist dafür viel zu kurz. Es ist schon tragisch genug, dass man krank werden muss um das zu kapieren.

Ihren rockigen Stil will mein inzwischen 55jähriges Jugendidol beibehalten:

Ich werde auch noch Lederjacke tragen wenn ich Achtzig bin!

Ayurvedamassage und Dusche, indische Art

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2ac-1000225Indien wird immer heimeliger, je weiter ich in den Süden der Provinz Kerala komme. Nach sechseinhalb Stunden Zugfahrt von Kannur nach Kochi(Cochin) im kühlen Abteil der Bessergestellten (Seat, 2AC), für welches mir mein Kollege Rahul aus Bangalore online eine Fahrkarte besorgt und spendiert hat (380 Rupees), werde ich im Stadtteil Ernakulam bei John’s Residency sofort fündig für eine Übernachtung. Man tut gut daran, sich den ungefähren Ort der Unterkunft anhand des Stadtplans im Lonely Planet gut einzuprägen, um dem Auto-Rickshaw Fahrer den Weg zeigen zu können;-) Ein Smartphone mit einer offline Map wäre manchmal doch praktisch, denn ein IPad geht einfach nicht in die Hosentasche.

Indian Coffee House, Kannur

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kannur-1Zwar bin ich außer dem Surfen auch wegen dem scharfen Essen nach Indien gereist, aber morgens ist mir wirklich noch nicht nach fritiertem und Chutneys, vor denen mich, wenn nicht gekocht, Chennappa warnte die Finger von zu lassen. Die erste Immodium hab ich vorsorglich gestern morgen vor der weniger luxuriösen Busfahrt durchs Bergland von Madikeri nach Kannur auf der Zunge zergehen lassen, nachdem mir vermutlich das Papad masala zu meinem Bier im aussichtsreichen Hotelzimmer im Mayura Valley View am Vorabend (bei dem das masala auf dem Papadam aus rohen zwiebeln, Tomaten, Erdnüssen und Koriander bestand) nicht so bekam.

Bei 30 Grad in der einer Million Einwohner umfassenden Hafenstadt Kannur an der Westküste im nördlichen Kerala angekommen ist mir hauptsächlich nach Trinken und schälbarem Obst, und vielleicht einem Milchkaffee oder -tee mit einem Bisquit aus einer Bakery. Meine Hosen kleben inzwischen mehr an mir vom Schweiß als das sie sitzen, aber irgendwie fehlt mir der Appetit.

Madam, Madam, where you from?

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Die Unterkünfte werden immer besser, GoldenRegencyKannur_badstelle ich heute Nachmittag triefnass geschwitzt vom Fußmarsch in Kannur fest, nachdem mich zuvor drei Hotels/Tourist Lodges um den Hauptbahnhof herum abgewiesen haben, von dem ich morgen früh meine Reise in den Süden der Provinz Kerala mit dem Zug fortsetzen werde.

Statt im weniger palastartigen Lonely Planet Budget Tipp Meridian Palace lande ich schließlich im Golden Regency, beschließe kurzum, dass ich nicht duschen werde und erfreue mich meines Seidenschlafsacks. Trotzdem heilfroh darüber, meinen um zwei Kilo Kaffeebohnen und Gewürze aus der Coorg Region schwerer gewordenen Rucksack endlich abstellen zu können und eine Bleibe für die Nacht gefunden zu haben. Was soll man klagen über 400 Rupees (etwa 5 Euro) in der Hochsaison, wo ich in Mumbai für einen leicht höheren Standard, wohl sauberer und mit Meerblick den zehnfachen Preis bezahlt habe…

GoldenRegencyKannur_zimmerKannur hat einen hohen Muslimischen Bevölkerungsanteil, was ein Grund sein kann, weshalb mir – alleinreisend in schlabbrigen jeans und einem Rucksack, höher als ich selbst – misstrauisch begegnet wird. Burkatragende Frauen sind hier keine Seltenheit, aber auch Frauen in blau-weißen Nonnengewändern begegnen mir schließlich am Payyambalam Beach.

Hühnerarsch bei Schlangengift und surfende Mönche

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So richtig angekommen in Indien bin ich noch nicht angesichts meiner täglichen IPad-Nutzung zur weiteren Reiseplanung und den vielen Ideen, die mir zu Kopf steigen und alle im internet zu recherchieren sind. Auch wenn es hier bei den vier hübschen Surf-Mönchen im Hare Krishna Ashram zu Mulki, dem Stützpunkt des Mantra Surf Club , nichts ungewöhnliches ist, im Internet zu surfen oder sich mit den aktuellsten Smartphones zu befassen. Wie die jungen Pärchen mit gut bezahlten IT Jobs aus Bangalore oder Mumbai, die hierher am Wochenende für einen Surfkurs kommen, als auch die Dorfbewohner Mulkis, deren Behausungen nicht einmal über fließendes Wasser verfügen. Sanjeev Bhaskar schreibt treffend in seinem Reisebericht ‘India’

is there a brandnew breed of super underclass rising in India? Those ‘have nots’ without even a mobile phone?

mulki_nachbarschaft Während ich hier das beste Zimmer gebucht habe, mit Veranda und Flussblick unter Kokosnusspalmen, Insektenabweisenden Gittern an den Fenstern, schönem Durchzug, Licht, Steckdosen, wobei in einer ein elektrischer vanilleduftzerstäuber steckt, und einem Bad mit zwar spärlich aber fließendem kalten Wasser, schaue ich auf die benachbarten Wellblechhäuschen mit zugehörigem Brunnen, aus dem das Wasser in den krügen kommt, mulky-0054mit denen sich die Bewohner im Palmenwald duschen, oder mit einem Waschbrett die Wäsche waschen. Die Kinder strahlen mich alle an, sagen ganz cool ‘Hi’ und kichern etwas von ‘English’. Für ein Foto mit meinem teleobjektiv posieren sie freudestrahlend. Gedanken, dass ich hier ausgeraubt werde, mache ich mir keine. Dafür sorgt die Hindu Religion und dessen Philosophie der Wiedergeburt in ein vielleicht besseres Leben.

Mumbai Horns / you give me money

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Dem Straßenverkäufer, der mir hinterherläuft und fragt ‘ do you like Mumbai?’ kann ich nur ein Schulterzucken erwidern. nach bekanntschaft mit Bettlern um das hotel ‘Taj Mahal Palace’ habe ich nicht mehr die größte Lust auf die Stadt, einen gelben Pmumbai-1unkt auf der Stirn, zwei Armbändchen mit Blumenblüten und leere Hosentaschen. Den nächsten bettlern, die mich beim Schnappschuss bemerkt haben, konnte ich so nicht einmal mehr 10 rupees in die hand drücken, weil ich ungefähr 700 den jungen frauen gegeben habe, die ich erst los wurde, als uns ein Polizist entgegen kam. Es fing an mit einem Greis, der für den gelben Punkt beleidigt den zehn rupees schein nahm. dann kam ein junges Mädchen, band mir Blumen ums handgelenk, wollte aber kein geld, sondern dass ich ihr Milch, Reis und Öl kaufe. Soweit so gut. Im laden wurde es dann etwas mehr Milch und der Händler tippte auf seinem taschenrechner etwas von 3100 Rupees – 45 €. Ich wollte jetzt nicht das Geschäft leerkaufen, gab dem Mädel die Scheine die ich hatte und wollte gehen. Dem nicht genug. ‘You pay with credit card’ , ‘give me Dollars’, ‘go to cash machine and get me money.’ Wow! Wie der kommentar des teigtaschenverkäufer am Strand auf mein ‘Yes, sure!’ zu seiner Frage ‘Are you married?’ Ein Ring an der hand genügt offenbar nicht zur glaubwürdigkeit, oder och sehe mit meinen Jetlag-Ringen unter den Augen so aus, als täte ihm mein fiktiver Ehegatte schon leid.

Dream Liner und komische Käuze

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Geschafft! Allen besorgten Kommentaren von Kollegen und Freunden entgegen sitze ich jetzt am Gate B48 am Frankfurter Allerweltsflughafen auf dem Weg zum Ashram Surf Retreat nach Südindien.

mumbai_streets-119:30 Den richtigen Check-in Schalter hätte man auch am Geruch erkennen können. Air India – A787 Your Dreamliner. Mit mir stehen indische Familien mit quengelnden Kinder und einer Masse Gepäck mit gewürzen, ein Ehepaar aus den 68ern, der Frau mit dem flotten kurzhaarschnitt und dem Mann mit den langen grauen haaren nach zu urteilen, und alleinreisende Mädels wie ich in der Warteschlange. Ich muss spontan an einen Kollegen denken, mit dem ich vor jahren in der Firma beim Tischkickerturnier als Team ‘Hot Chai’ angetreten bin. Eine Kaffeefahrt wird dieser Ausflug in den kommenden vier Wochen bestimmt keine werden.

21:15
Im Horoskop (tarot scope)in der Novemberausgabe von SHUB YATRA, dem Air India magazin, stehen die Sterne auf meiner Seite:
This is a time to find yourself and spend time meditating. Work will keep you busy. There will be some frustration with a friend or a colleague. Your finances will improve over the next weeks. saving is your priority.